Leben im Eis

 

Einige Freunde wissen von meinem Leben in Eis, einem bzw. besser gesagt zwei Wintern, in denen ich beschloss, mein Leben dort, wo mein Lebensmittelpunkt war, also hier in Mitteleuropa, in der unmittelbaren Natur zu verbringen.

Wenige aber wissen, was mein Leben in dieser Umgebung ausgemacht hat. Wie kommt jemand auf die Idee, seine Sicherheiten in der Stadt aufzugeben und auf das Land zu ziehen und sich dem Winter zu stellen ohne Elektrizität und Heizung?

Wenn das noch dazu eine Frau ist, wundern sich womöglich noch mehr Menschen.

Meine Überlegungsgründe waren zum Einen meine Neugierde, da ich versucht habe, mein Leben immer natürlicher zu gestalten... Ich wollte wissen und verstehen, warum wir Menschen und in solche unwirtlichen Lebensregionen verstreut haben und auch, was wir uns eigentlich erhoffen können von diesem Leben, sollte einmal "alles zusammenbrechen", keine Elektrizität und andere Möglichkeiten bereit stehen, uns zu schützen.

Hier muss ich ein riesiges Eingeständnis machen. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich diese Reise unternahm, war mir keine auf rein pflanzlicher Basis hergestellte Möglichkeit bekannt, der ich meinen Körper bei Graden bis zu minus Siebzehn (im Winter vor zwei Jahren) anvertraut hätte.

Leider trieb mich aber auch mehr als reine Neugier in diese Situation - ich hatte etwas Schwieriges durchgemacht und ich hatte das Bedürfnis, mich davon zu reinigen und zu erholen, zu neuen Kräften zu kommen und mich zu sortieren. Ich träumte davon, zu pilgern, da mir aber keine große Pilgerreise möglich war, unternahm ich diesen Pilgerurlaub auf einem Grund in meiner Nähe. Ich bekam zunächst eine freundliche Erlaubnis dafür, und nutzte diese auch sehr lange, sogar leider etwas länger, als verabredet, aber auch lange genug, um eine ganz große Menge an Erfahrungen zu sammeln...

Ganz tolle, schöne Erfahrungen waren jene des Spätherbstes, in dem ich an den Feldern entlang streifte oder im Garten arbeitete, oder Ausflüge nach Süden machte... Ich kannte das Land nicht, und es nahm mich sofort mit ihren flachen Landschaften in seinen Bann, vielleicht auch, weil es mich an meine Kindheit erinnert hatte, die ich an ähnlich flachen Gegenden verbracht habe.

Das Gehen hatte seinen Frieden für mich und ich ging manchmal jeden Tag oder jeden zweiten oder mal dritten Tag oder manchmal auch nur einmal in der Woche in den Süden, und fand dort einen botanischen Garten, der bezaubernderweise voller Früchte war, genau zur Reifezeit und unglaubliche Sonnenuntergänge.

Und unglaublich schöne Früchte. Es war schon Januar, als ich einmal süße Trauben fand, die schon gefroren hatten aber sehr köstlich schmeckten. 

Diese Erfahrung, dass ich im Winter Früchte finden konnte, war bezaubernd und belebt mich heute noch, wenn ich daran denke.

 

Auf der dunklereren Seite meiner Reise sind sehr viele Verletzungen, zum Beispiel an meiner Nackenwirbelsäule, womöglich durch die zwei Winter, in denen mein Hals aus dem Schlafsack hinaus ragte und ich ihn nicht gründlich versteckt hatte. Womöglich hängt es auch mit dem zum Teil enormen Kraftaufwand zusammen, das ich benötigte um oft bis zu 15 kg Gemüse aus einer Biotonne über 15 km eisige Wege oft nachts im Dunkeln und Schnee oder über Eis nach Hause zu schleppen. 

Oder das ich benötigte um meine Sinne zusammenzuhalten, wenn mal alles schief lief und ich mal die Nacht im Schuppen kauernd im Schlafsack sitzend verbrachte, oder vier, fünf Mal von Mäusen geweckt wurde, die sich einen Weg durch den Zeltboden ins Zeltinnere gesucht und gerade begonnen haben, meine Datteln zu verspeisen und dabei laut über meinen Bauch zu "trampeln". Da meine Tage meist physisch sehr beanspruchend waren, war mein Bedürfnis nach Nachtruhe fast unvorstellbar groß. 

Kaum jemand weiß aber, welch eine tiefe Herzensfreude und inneren Frieden es für mich bedeutete, nach einem Tag, den ich geschäftig im Schnee und in Lokalen mit meinem Laptop sitzend und tippend verbrachte oder Essen besorgte und ein stilles, friedliches Leben ohne Worte und Konflikte führte, abends "nach Hause" kommen zu dürfen und mich in diese herrliche Friedlichkeit begeben und einfach tief versinken konnte. Kein Licht, keine Geräusche und keine Gedanken störten mich in diesen Momenten. Es war zumindest für die Dauer der ersten Monate der heilste Frieden, den ich je in meinem Leben erlebt hatte.

An manchen Tagen, zum Beispiel, wenn Feiertag war oder das Wetter schlecht war, blieb ich auch mal zuhause oder verbrachte mal einen halben Tag im "Bett".

Dieses befand sich auf einem Brett, das ich in den Trailer ans Fenster montiert hatte, nachdem ich diesen von dessen Vergangenheit als Hühnerstall gereinigt habe. 

Es war ein herrliches, ein herrschaftliches Zuhause. Die Türe ließ sich von innen gut verriegeln und ich konnte in zwei-drei Schritten draußen sein ohne, dass mich jemand von der etwas entfernten Straße bemerken musste, wenn ich mal nachts meine Lampe anknipste um nach Draußen zu gehen. 

Die Besorgung kleiner wichtiger Utensilien war auch ein schönes Abenteuer.

Dieses Zuhause wurde mir von einer lieben Freundin im Herbst zuvor als Residenz angeboten, an dem ich arbeiten sollte. Schade, dass unsere Vorstellungen etwas später sich ein wenig auseinander gingen. 

 

Sie hatte mich mit sehr viel Freude willkommen geheißen und ich habe ihr mein volles Vertrauen gegeben. Natürlich habe ich auf ihre Hütte und den ganzen Garten so geachtet, als wäre es nicht nur meines, sondern das meiner Wohltäterin. Natürlich habe ich nichts kaputt gemacht oder entwendet... Ich habe um ehrlich zu sein, vieles gereinigt und im Garten auch Beete angelegt... Trotzdem unterschied sich dann die Meinung darüber, ob sie einverstanden war, dass ich bis Februar blieb.

Da ich mir einen Van gekauft habe, wollte ich schon vorher "ausziehen", es sollte aber dann mit diesem nicht klappen, und ich blieb bis Anfang Februar. Auf einmal stand sie mit anderen vor mir und wunderte sich. Ich danke ihr herzlich für ihr Vertrauen und diese wundervolle Zeit. Ich habe ihr Vertrauen nicht mit Absicht "ausgenutzt" sondern wirklich aus ganzem Herzen und mit Dankbarkeit ausgekostet ohne den Willen, zu täuschen.

Am Ende war es schon etwas mühselig. Ja, vielleicht wartete bereits etwas Neues auf mich... Ich fühlte aber, dass ich noch nicht wusste, wie es weiter gehen sollte.

In diesem Winter habe ich mehr erlebt und gesehen als ich davon habe träumen können an Schönheit, winterlicher Prachtlandschaften und habe einen Winter lang mit der Natur mit geatmet und im Licht gelebt.

 

Ich kannte die Sterne und den Mond und die Erde und die Himmelsrichtungen und war stark und geerdet...

 

 

Als sie kamen, musste ich meinen Körper nochmal sehr anstrengen. All meine Habseligkeiten zusammenpacken, es waren ganz schön viele Dinge, die ich damals besaß und von denen ich mich erst nach und nach später trennte. Ich habe früher mal öfters große Mengen an Habseligkeiten zurückgelassen und wollte dieses Mal nicht nach meiner Reise alles neu anschaffen müssen. Auch hier gilt meine Dankbarkeit den lieben Freunden, die mir das ermöglicht haben. 

Als ich wieder in der Stadt war, wurde vieles anders. Die Möglichkeiten waren wie ein Land voller Geschenke, aber auch die Herausforderungen und die Aufgaben wurden größer, denn einerseits hatte ich mit einer Stadt zu tun, in der ich früher schon mal eine sehr lange Zeit gelebt oder existiert hatte, und andererseits war für mich nach dieser Zeit der Reise durch das Eis einfach Nichts mehr dasselbe wie jemals zuvor.

Ich hatte gelernt, mich zu fürchten, aber ich fürchtete mich nicht vor Dingen, die andere gefährlich empfanden.

Vielleicht war es für meine Freunde, die mit mir Kontakt hatten, irritierend, als ich dann statt meinem Van, in eine Garage zog. Für mich schien es zuerst eine tolle Idee und gut durchführbar und drei Wochen lebte ich in einer großen Garage, das ich mir gemütlich einrichtete. Es hatte sogar ein kleines Fenster nach Hinten vor dem Bäume zu sehen waren. Wenn es regnete, trommelte es wie wahnsinnig an der Decke. Es war endlich warm, denn ich konnte meinen kleinen Radiator anstecken. 

Und meinen Computer. Dieses Mal kümmerte ich mich wirklich um nichts mehr und arbeitete einige Tage lang intensiv durch. Ich übersetzte ein Buch eines Lamas und Heilers, das aber später nicht offiziell publiziert werden konnte, obwohl ich zwei Jahre an diesem Buch intensiv und schweißtreibend gearbeitet habe, und das womöglich eines der Gründe war, warum ich mich vor anderen Aufgaben in der Stadt zurückziehen wollte. Immerhin erhielt ich ein kleines, aber großzügiges Honorar vom Autor. Er fand aber meine Übersetzung, das nicht lektoriert wurde zu wenig mit seinen hohen Ansprüchen vereinbar.

Es war wohl nicht ungefährlich um mich dort aufzuhalten, denn irgendwie gab es keine Häuser und Menschen in der Nähe, sehr wohl aber benachbarte Garagen, in denen andere sich ebenfalls nachts aufhielten und mich.

Ich hatte mir das Leben so einfach vorgestellt... Aber das ging einfach nicht. Das war nicht möglich. Da ich auch oft keine Elektrizität hatte, ging ich einfach nach drei Wochen und schickte danach den Schlüssel zurück.

Und dann kam ich an den Traumort, der meine Rettung und mein Segen werden sollte, und der meine Seele glättete und an dem ich all das erfahren habe, wovon die folgenden Seiten handeln sollen...

Paradisische Zeiten des Friedens und der Einkehr und endlich eine prächtige, schöne Sicherheit nicht mehr auf fremden oder gefährlichen Gründen... Doch davon gleich!

 

Den Winter lang tageweise gepilgert und nebenbei aber noch auch etwas gearbeitet. Wundervolle Natur und Ruhe, wenn auch sehr viel Frieren am Ende...

War ich aber froh, dass ich vom Schauplatz städtischer Erfahrungsfrequenzen weichen konnte... Ich ging fort. Ich war nun endlich frei für mich selbst! Dafür kann man schon einiges an sehr mühevollen Erfahrungen aushalten und ertragen. Dafür war es mir Wert diese lange, strapaziöse Zeit häufiger Ungewissheiten und Alleinsein ohne zu wissen, ob ich die Zukunft sehen kann... 

 

Es brach eine Zeit auf, in der ich mich um mein kleines Nest kümmern durfte und all das drumherum. Vom energetischen Standpunkt war es eine spannende Situation, weil ich an einem Ort lebte, an dem mir kein Besitz, wohl aber ein kleiner Ort des Friedens und des Rückzuges zustand... Das ist etwas anderes, als irgenwo zu wohnen. Es ist etwas anderes, als einen Straßennahmen und einen Briefkasten, Nachbarn und eine Nachbarschaft zu haben. Es ist auch etwas anderes, als nicht zu wissen, wie man die Nacht durchsteht und wo man schläft. Es ist etwas zwischendrin. Es ist eine ganz neue Erfahrung.

 

Nicht mehr mit Mäusen nachts kämpfen müssen und ein Fenster zu haben, durch das ich den Sonnenschein betrachten konnte, und noch viel mehr, einen eigenen Garten dieses Mal und, noch etwas viel Schöneres, den Frühling erwachen sehen... 

 

Genießt die Sonne!

 

Am Spannendsten waren für mich wahrscheinlich die Bewegung der Lichtquellen und die Länge der Tage, die mir immer sehr lang vorkamen, und dabei aber voll ausgefüllt. Es brachte mich zum Nachdenken, dass wenn die Länge der Tage sich im Gefühl ausdehnte und sie dennoch nicht unerfreulich lang waren, im Gegensatz zu unerfreulichen Stadttagen, die manchmal trotz dem einfach zu kurz waren, die Freude in der Stille und im Frieden lag. So wie der Winter die Natur reglos werden ließ wurde auch in mir das Denken und das Suchen und das Bewegen reglos und still. 

Ich ergab mich meinen begrenzten Möglichkeiten durch die Kälte und hatte eine große Freude daran, mich dem Möglichen zu widmen... Obwohl es nicht besonders schwer war, war doch viel zu organisieren... Und im Bewusstsein klar zu bleiben um sicher zu landen war wohl die größere Aufgabe. Im Nachhinein denke ich, dass es besser ist, gute Dinge zu tun, die nicht weh tun, aber für mich, damals war das einfach schön und gut, weil ich nirgendwo auf der ganzen Welt eine so wundervolle Schlafstelle hatte, in der ich mich nicht fürchten und nicht ablenken lassen musste, das klein war, still und stabil, und sicher, und warm. Dies alles war mir so stark bewusst als Kontrast zu all dem draußen - kalt und unsicher und auch mal laut. 

Ich lernte dort wirklich, für meine Nachtruhe dankbar zu sein, sie zu feiern, jede Nacht und auch, mit der Sonne zu schlafen und zu wachen, da ich ja kein künstliches Licht zur Verfügung hatte.

Ja, warum tut jemand soetwas nicht schön wo es warm ist oder im Sommer? Ich habe mich seit Jahrzehnten nach Sommern gesehnt, die schön waren und hatte einen mehr oder weniger ziemlich traurigen Sommer nach dem anderen erlebt, in denen ich viel Schönes erlebt habe, aber nie wirklich tief in meiner Seele von der Natur berührt wurde. Deshalb wollte ich an einen Ort, an dem ich der Natur am Nächsten sein konnte. 

Das war schwer, es sollte etwas sein, was mir andere nicht strittig machen oder nicht in Frage stellen würden, wo sie mich nicht versuchen würden zu unterhalten oder mich abzulenken oder Gesellschaft zu leisten... 

 

 

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"Neulich habe ich meine Wohnung eingerichtet, eine Ecke für die Zubereitung meiner rohköstlichen Mahzeiten - Saftpresse, Mixer, Spirulizer . und einige Regale lehnen an der Wand mit Geschirr was man/frau sonst noch gerne zur Hand hat: Geschirrspülmittel, natürlich biologisch, einige Müllsäcke, ein paar Stäbchen (habe noch nie was mit ihnen gemacht). Und was ich vielleicht irgendwann einmal in der Zukunft benötigen könnte.
 
Rechts der Küche habe ich einen Esstisch als Trennung zwischen Küche und Schlafraum. Ich kann mich je nach Bedürfnis an drei verschiedenen Plätzen setzen. So ist es bequem zum Beispiel eine Tomatensuppe zu löffeln.
 
Und jetzt fühle ich mich wohler und ich empfinde mein Leben in der Wohnung als strukturierter. Als ich hier einzog, war jenes hier und dieses dort und es hat eine ganz schöne Weile gedauert, bis ich je das zur Hand bekam, wonach ich gesucht hatte.
 
Ganz schön spitzfindig lobe ich mich diese Aufteilung getroffen zu haben und habe schon damit begonnen sozusagen achtsam durch meine Räume zu gehen, und mit Intention mich zu bewegen...
 
Wie wenn aber trotzdem die Linien der Zeit verschwimmen und ich sehe mich in meinen alten, nun verlassensen Häusern oder Wohnungen?
 
Ich weiß wohl, das ich Abstand genommen habe und diese Orte nun von meiner dort "vergessenen" Energie befreien
 
Dazu eignen sich zum Beispiel Gebete oder selbst etwas zu opfern,das man gerne hat. Und nun eintauscht gegen etwas Höheres.
 
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Letztes Jahr fragte mich jemand Fremdes nach meinem Alter, was ich etwas voreilig fand, hinsichtlich meines tatsächlichen Alters zu nennen, worauf ich also nur widerwillig und etwas "gekürzt" Antwort gab. Es ist bloß eine Zahl, doch auch ich habe als junge Person es sehr geliebt, die wachsenden Zahlen, über die man dann häufiger sprach als sich Geburtstage nahten, zu hüten und mich mit ihrer "Energie" zu verbinden.

 

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